Wer mich kennt, weiß, dass ich mich seit frühester Kindheit für Tasteninstrumente begeistere. Wir hatten im Laufe der Zeit diverse Keyboards Zuhause, eine Orgel und eine Zeit lang sogar ein akustisches Klavier. Meine Schwester bekam Keyboardunterricht und ich habe mir das alles neugierig aus dem Off heraus angeschaut. Mehr aber passierte zunächst nicht. Und während Musik mich zwar mein ganzes Leben lang begleitete, waren es doch eher Themen rund um die Elektrotechnik und die Informatik, die u.a. auch meinen beruflichen Weg prägten.

Seit einigen Jahren flammt aber mein Interesse – insbesondere an der Königsklasse aller Instrumente: Dem Flügel (oder auf Englisch: Grand Piano) – wieder auf. In diesem Blog gibt es dazu sogar Hinweise zu finden. Seit nunmehr etwas über einem Jahr besitze ich inzwischen auch einen echten Flügel. Einen 100 Jahre alten Ritmüller. Im Gussrahmen gibt es ein paar Risse, vier Saiten fehlen und das Filz aller Hammerköpfe hat einfach seine besten Tage hinter sich. Der Klang ist aber wunderbar warm und voll. Du magst mich für verrückt halten, aber mir gefällt das sogar besser, als der relativ harte Klang eines Steinway D Flügels.

Was mich schon immer ganz besonders an diesen Instrumenten fasziniert hat, ist die sog. Hammermechanik. Falls Du noch nie ein Klavier oder einen Flügel von Innen gesehen hast, mag Dir das Bild dazu fehlen, aber stell es Dir zunächst einmal vereinfacht so vor: Sobald Du eine Taste anschlägst, schlägt ein kleiner, mit Filz bespannter Holzhammer gegen eine Saite und bringt sie so zum Erklingen. Das klingt erst einmal nicht kompliziert – ist es bei näherer Betrachtung auch nicht – dennoch steckt da eine Menge Knoff-Hoff hinter.

Beispielsweise ist es möglich, sehr schnell aufeinanderfolgende Töne zu spielen, weil Du eine Taste bereits wieder anschlagen kannst, noch bevor der Hammer vollständig zurück in seine Ausgangsposition gefallen ist. Das nennt sich Repetitionsmechanik und geht auf Entwicklungen zurück, die um 1820 stattfanden. Seit dem hat sich diese Mechanik übrigens kaum verändert. Und wenn Du jetzt Lust hast auf einen #wtf Moment, dann schau Dir dieses Bild an:

Doppelrepetitionsmechanik mit Hertz-Feder (Quelle)

Ohne jetzt (an dieser Stelle) groß weiter auf diese Mechanik einzugehen – und Du wirst bereits ahnen, dass sie mich extrem fasziniert – wirst Du nachvollziehen können, warum ich vollkommen von den Socken war, als ich auf dieses Projekt hier gestoßen bin: Grand Piano Campaign – MyMiniFactory

Der Designer hat nichts weniger geschaffen, als ein voll funktionsfähiges Grand Piano mit (knapp) zwei Oktaven, funktionierender Lyra und einer praktisch 1:1 nachempfundenen Repetitionsmechanik. Für den 3D Drucker.

Ich habe einen 3D Drucker!

Und noch einmal kurz zurück gespult: In der Vergangenheit war ich bereits drei Mal in der Hamburger Fabrik, in der Steinway & Sons ihre Klavier und Flügel herstellt. Dort habe ich auch das erste Mal richtig erleben dürfen, wie die Tastatur zusammengesetzt, reguliert und intoniert wird.

Regulation nennt man übrigens das Abstimmen sämtlicher an der Mechanik jeder einzelnen Taste beteiligter Komponenten aufeinander. Oder anders gesagt: Jede Taste fühlt sich im Anschluss gleich an beim Spielen, alle Hammer stehen schön hübsch parallel zueinander und legen die gleichen Wege zurück. Dafür gibt es diverse Einzelteile und Schrauben einzustellen und zu drehen.

Intonation ist das, was im Anschluss an das grundsätzliche Stimmen dafür sorgt, dass alle Töne “wohl temperiert” klingen. Da gehe ich mal nicht näher drauf ein – das ist auch eine Wissenschaft für sich.

Mich hat das so sehr begeistert, dass ich seit dem schon immer selbst “Hand anlegen” wollte. Nun habe ich zwar einen echten Flügel, aber darauf spiele ich ja auch. Und ich bin nun einmal kein Klavierbauer. Also habe ich einen entsprechend großen Respekt vor dessen Innenleben und möchte mir den Spaß am Instrument nicht direkt verderben, indem ich etwas daran unwiderruflich zerstöre.

Zurück zu dem 3D Modell.

Das Archiv kostet umgerechnet etwa 70 Euro und so viel Geld hatte ich noch nie für ein 3D Modell ausgegeben – das ich dann auch noch selbst ausdrucken muss. Aber eines kam zum anderen und so richtig zurückhalten konnte ich mich bei diesem Thema sowieso nicht. Und sowieso. Was soll da schon schief gehen?

Also kaufte ich das Archiv. Es ist 1 Gigabyte groß! Und der Assembly Guide darin allein schon über 300MB, die sich auf knapp 140 Seiten verteilen… In dem Moment wurde mir klar: Das Projekt könnte etwas länger dauern. Und mit den 70 Euro war es auch nicht getan.

Grand Piano by Mechanistic (Quelle)

Der Korpus auf dem Bild ist übrigens eine von zwei Optionen. Eine andere Variante ist grundsätzlich eher geschlossen und verfügt dafür über “Fenster” nur in den interessanten Bereichen.

Du erinnerst Dich an die Abbildung einer Repetitionsmechanik weiter oben? Hier ein Bild von einer Taste, wie sie in diesem Projekt mit 3D gedruckten Teilen konstruiert wird:

3D gedruckte Repetitionsmechanik (Quelle)

Als ich mich dann näher mit dem Guide beschäftigte, stellte sich sehr schnell heraus, dass da nicht nur einiges an Druck-Aufwand auf mich zukommen würde, sondern ich auch meine Sammlung an Werkzeugen würde erweitern dürfen… und diverse Filamente kaufen. Von den sonstigen Materialien einmal ganz abgesehen. Denn vollkommen ohne kommt dieses Modell natürlich nicht aus. Angefangen bei den Klangstäben, die hier die Saiten (aus guten Gründen) ersetzen, über Pins, Filz bis hin zu in Summe etwa 400 Schrauben in verschiedenen Größen und Längen.

Die Kosten sind natürlich individuell abhängig davon, was Du bereits hast und für was für Optionen Du Dich entscheidest: Bei Ali Express kostet vieles einfach deutlich weniger, dafür wartest Du länger und die Qualität kann variieren. Bei Amazon bezahlst Du mehr, der Support ist aber überragend und die Liefergeschwindigkeit unübertroffen.

Bevor ich allerdings damit begann, wie wild die Läden leerzukaufen, um mit diesem Projekt zu starten, habe ich mich zunächst noch mit einem anderen Modell beschäftigt. Sozusagen ein Vorprojekt. Etwas, das mir dabei helfen soll, die Motivation für dieses vermutlich sehr langfristige Vorhaben aufrechtzuerhalten und nicht durch fummeliges Klein-Klein zu beeinträchtigen.

Die Rede ist von… aber dazu mehr im nächsten Bericht. 🙂

Hast Du Fragen oder möchtest mehr wissen? Ich freue mich riesig über Feedback jeder Art: Die Kommentarsektion ist hiermit eröffnet.

3 comments on “[3D-Druck] Ich drucke mir einen Flügel – Teil 1”

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